„Wenn es die A2LT noch nicht gäbe, müsste man sie rasch gründen“

Schwarz-Weiß Foto Flugzeug von unten
© AIT/Lies Matton
Foto: Andreas Dorda, BMK
Andreas Dorda, BMK © Envirotainer AB Releye® RLP container

01.06.2023

Andreas Dorda ist im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie verantwortlich für F&E-Förderprogramme zur Entwicklung von Verkehrstechnologien. Im Interview mit A2LT spricht er über die Pilotstudie zur wirtschaftlichen Bedeutung des Leichtbaus sowie über die Aktivitäten im Ministerium.

Welche wirtschaftliche Relevanz hat der Leichtbau aus Ihrer Sicht?

Leichtbau ist eine extrem wichtige Querschnittstechnologie, ein Enabler, ohne den viele Innovationen nicht möglich wären oder durch den sie erst ihre volle Wirkung entfalten können. Denken Sie insbesondere an die Luft- oder Raumfahrt, in der jedes eingesparte Kilogramm bares Geld wert ist. Mit der Umstellung auf elektrifizierte Antriebsformen zählt jedes Kilogramm Gewichtseinsparung, um eine ausreichende Reichweite sicherzustellen.


Welche Bedeutung hat für Sie die A2LT-Pilotstudie?

Österreich hat in der Vergangenheit im Bereich Leichtbau sehr viel Know-how aufgebaut und es geschafft, dieses Wissen in Innovationen und Produkte umzumünzen. Allerdings wurde der volkswirtschaftliche und beschäftigungspolitische Beitrag dieser Erfolge nicht ausreichend gewürdigt, vor allem, weil Leichtbau statistisch nicht erfasst wurde. Ich war immer von der Bedeutung überzeugt, doch hat mich das Ergebnis trotzdem überrascht: dass der Wertschöpfungsbeitrag von Leichtbau über dem vom Maschinenbau einzureihen ist, obwohl hier Österreich traditionell stark aufgestellt ist.


Sie engagieren sich sehr stark für den Leichtbau. Welche Bedeutung hat das Thema in Ihrem beruflichen Alltag?

Nach meinem Chemiestudium hatte ich als Universitätsassistent am Institut für physikalische Chemie der Uni Wien viel mit Materialforschung zu tun. Auch wenn ich während und nach meinem Post Doc in Berkeley in Richtung Elektrochemie und Batterieforschung abgebogen bin, so ist Leichtbau gerade in der Elektromobilität eine Schlüsseltechnologie, um die Kundenakzeptanz bezüglich Reichweite zu sichern. Leichtbau hat aber auch völlig unabhängig vom gewählten Antrieb immer einen unbestreitbaren Mehrwert, der mit der zunehmenden Bedeutung der Energie- und Ressourceneffizienz noch weiter wächst. Die bindenden Vorgaben zum Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft werden wir nur mit konsequentem Leichtbau erreichen.


Welche Ziele verfolgt das BMK im Bereich Leichtbau?

Mein Ministerium ist den europäischen Zielsetzungen des Green Deals verpflichtet. Wir sind uns bewusst, dass eine Transformation klarer Zielsetzungen und gemeinsamer Anstrengungen zwischen Forschung, Industrie und Verwaltung bedarf, um jene innovativen Lösungen bereit zu stellen, die eine nachhaltige Reduktion des Energie- und Ressourcenverbrauchs sowie eine umfassende Nutzung erneuerbarer Energieträger erlauben. Mein Ministerium hat die Mobilitätswende, Energiewende, Kreislaufwirtschaft und die klimaneutrale Stadt als Schwerpunkte ins Zentrum unserer FTI-Fördermaßnahmen gestellt, da diese den großen gesellschaftlichen Herausforderungen entsprechen. Leichtbau hat das Potenzial, als Querschnittstechnologie in all diesen vier Schwerpunkten einen wertvollen Beitrag zu leisten.


Das BMK hat auch eine eigene Studie in Auftrag gegeben. Worum ging es und welche Ergebnisse hat sie gebracht?

Die Studie dient zur Erfassung der Potenziale und Technologiekompetenz der Industrie und Forschung im Bereich Leichtbau in Österreich, zur Analyse von Anknüpfungspunkten zu Leichtbaustrategien in anderen Staaten Europas, zur Einbettung der österreichischen Forschung, Industrie und Verwaltung in das entstehende europäische Leichtbau-Netzwerk sowie zur Vorbereitung von transnationalen F&E-Förderausschreibungen in Kooperation mit Ministerien und Förderagenturen in europäischen Partnerländern. Das Ergebnis ist eine detaillierte Analyse der nationalen Stärken und Schwächen sowie transnationaler Entwicklungstendenzen, die in ein Set von Handlungsempfehlungen übersetzt wurden. Uns dient sie als objektiver Kompass für die Ausrichtung laufender und künftiger Aktivitäten, die wir der Community zugänglich machen werden.


Was tut das BMK konkret, um der tatsächlichen Bedeutung des Leichtbaus gerecht zu werden?

Sichtbarstes Zeichen ist eine exklusiv dem Leichtbau für mobile Anwendungen gewidmete transnationale EUREKA-Ausschreibung, die am 25. Jänner öffnete. Das BMK schaffte es mit seiner Leichtbauinitiative, in sieben Monaten neun Partnerstaaten in einem hoffentlich ersten aus einer langen Reihe von Leichtbau-Calls zu schmieden. Diese Monate waren intensiv, aber durch die Leidenschaft der beteiligten Personen von Erfolg gekrönt. Ergänzend fördert das BMK nach 2022 heuer bereits zum zweiten Mal Materialforschungsprojekte für Leichtbauentwicklungen in einer Ausschreibung des M-ERA.NET.


Worum geht es in den beiden Förder-Calls EUREKA und M-ERA.NET?

Um bis 2035 die Mobilitätswende zu schaffen, bedarf es einer Gleichzeitigkeit von Maßnahmen, die ein möglichst rasches Skalieren von der Idee bis zum markttauglichen Produkt unterstützen. Diese Gleichzeitigkeit findet im M-ERA.NET und der EUREKA- Ausschreibung ihren Ausdruck. Die M-ERA.NET-Ausschreibungen adressieren Materialforschungsaspekte mit niedrigerem und mittlerem Technology Readiness Level (TRL), d. h. sie erlauben eine Fördermittelallokation in Richtung jener Innovationen mit der vielversprechendsten Wirkungsentfaltung, darunter Leichtbau und dessen Mobilitätsanwendungen. Die EUREKA-Ausschreibung ist spezifisch auf Leichtbau und dessen Anwendung in der Mobilität ausgerichtet und stellt auf höhere TRLs ab. Die Ausschreibungen stehen natürlich in einem strategischen Kontext und tragen dazu bei, Leichtbau als Enabler für Verkehrsinnovationen besser zu nutzen, die internationale Vernetzung der nationalen Leichtbauakteure zu stärken und die Integration österreichischer Unternehmen in globale Leichtbauwertschöpfungsketten zu unterstützen.


Wie unterstützt das BMK den Leichtbau sonst noch?

Leichtbauförderung erschöpft sich nicht in Ausschreibungen, sondern wird vom BMK durch die Ausrichtung von Veranstaltungen wie etwa der 2. European Lightweighting Network Konferenz in Wien oder die Teilnahme von BMK-Vertretern bei Delegationsreisen nach Schweden oder die Niederlande oder durch das Identifizieren von Best-Practice-Aktivitäten in Nachbarländern unterstützt. Als Best-Practice-Beispiel sei das schwedische PhD-Programm erwähnt, das einer BMK-Einladung folgend im Mai mit voraussichtlich 15 PhD-Studierenden nach Österreich kommen wird. Dabei werden wir auf einen regen Austausch zwischen Industrie, Forschung und den Gästen im PhD-Programm achten.


Wie wird das Thema Leichtbau im Ministerium über 2023 hinaus positioniert sein?

Ich sehe ganz klar die technologiepolitische Bedeutung des Leichtbaus für eine nachhaltige Entwicklung und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie. Daher strebe ich an, dass wir auch in der jetzt gerade begonnenen Planung der FTI-Förderbudgets 2024-2026 diese Fördertätigkeit fortsetzen und Leichtbau zu einem längerfristigen Schwerpunkt unserer FTI Förderung im Bereich Fahrzeugtechnologien machen. Darüber hinaus wollen wir aber auch alle anderen wichtigen Maßnahmen des Europäischen Leichtbaunetzwerks, wie internationale Vernetzung, die regelmäßigen ELN-Konferenzen, bilaterale Workshops und Studienreisen sowie die Schaffung qualifizierter Humanressourcen etc. unterstützen.


Wie sieht die europäische Perspektive aus? Wie engagiert sich Österreich im European Lightweighting Network?

Durch eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit versuchen wir, Leichtbau und seine Anwendungen in Europa zu forcieren und so einen entscheidenden Beitrag zum grünen Wandel in Europa zu leisten. Die Maßnahmen umfassen F&E-Förderungen, wie beispielsweise die von Österreich initiierte EUREKA-Leichtbau-Ausschreibung, die Organisation von ELN-Konferenzen wie jener von 2021 in Wien oder die geplante Verankerung von Leichtbau auf europäischer Ebene durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission, insbesondere mit der Generaldirektion Forschung und Innovation (DG RTD). Langfristiges Ziel ist hier die Entwicklung einer von der Europäischen Kommission und einer breiten Basis von EU-Staaten getragenen Europäischen Leichtbaustrategie, die systematisch die Hebung und Weiterentwicklung der Leichtbaupotenziale erlaubt und die dafür notwendigen Maßnahmen entwickelt. Kurz- und mittelfristig heißt es für uns, weitere starke Partner für die Mitarbeit zu gewinnen. So habe ich im April in den Niederlanden mit Ressortkollegen eine Kooperation im Leichtbau erörtert. Auch mit der Schweiz stehe ich diesbezüglich in engem Austausch.


Wie erleben Sie die Kooperation mit A2LT?

Das Leichtbauthema wird in Österreich von der A2LT sehr engagiert vertreten und international vorangetrieben. Die A2LT stellt durch ihre europäische Vernetzung und ihre Mitgliedschaft im ELA-Netzwerk sowie der engen Kooperation mit dem ELCA-Netzwerk wertvolle Kontakte zu Industrie und Forschungseinrichtungen sicher. Durch ihre starke regionale Verankerung und ihre ausgezeichnete Mitgliederaktivierung erlaubt sie eine unmittelbare Reaktion auf kurzfristige Herausforderungen. Unsere lösungsorientierte offene Zusammenarbeit auf persönlicher Ebene hat in sehr kurzer Zeit wirklich schöne und vorzeigbare Erfolge gezeitigt. Ich empfinde diese Zusammenarbeit als erfrischend und auf gegenseitiger Wertschätzung beruhend.


Die österreichische Leichtbauplattform A2LT feiert heuer ihr 10-jähriges Bestehen. Welche Wünsche haben Sie als BMK-Vertreter an die A2LT zum runden Geburtstag?

Seitens des Ministeriums waren wir uns der Bedeutung von strategischen Plattformen schon seit jeher bewusst. Lange bevor die Europäische Kommission mit der Implementierung der Europäischen Technologieplattformen begonnen hat, haben wir vergleichbare Plattformen gegründet und habe ich auch selbst beispielsweise jene im Bereich Logistik bzw. im Bereich Fahrzeugtechnik aufgebaut und in der Anfangsphase auch selbst geleitet.

Nur mit derartigen Strukturen lässt sich das volle Synergiepotenzial aus der Zusammenarbeit komplementärer Partner der gesamten Community nutzen. Für uns als Ministerium ist ein akkordierter Standpunkt basierend auf der geballten Expertise der gesamten Industrie und Forschung im Sinne einer Politikberatung oder Bewertung technologischer Entwicklung extrem wertvoll und einer Kakophonie der Artikulation zahlreicher Partikularinteressen einzelner Firmen bei weitem überlegen.

Umgekehrt können die Unternehmen in der Zusammenarbeit mit der öffentlichen Hand die dabei verfolgten Intentionen besser verstehen und geplante Maßnahmen rechtzeitig in ihrer Geschäftstätigkeit berücksichtigen. Wir bekommen andererseits in der Zusammenarbeit mit derartigen Plattformen ein unmittelbares Feedback, wie wir die Mitglieder am besten unterstützen können.

Kurz gesagt: Wenn es die A2LT noch nicht gäbe, müsste man sie rasch gründen, weshalb ich mich freue, dass dies schon vor zehn Jahren erfolgt ist. Ich wünsche mir deshalb eine weitere enge Zusammenarbeit und freue mich über die Erfolge, die wir in den vergangenen Monaten gemeinsam erreicht haben!

 

Zur Person:

Andreas Dorda ist seit 1994 stellvertretender Leiter der Abteilung „Mobilitäts- und Verkehrstechnologien“ im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) und verantwortlich für F&E-Förderprogramme zur Entwicklung von Verkehrstechnologien. Schon bei seinem Chemiestudium hat er den Fokus auf Batterieforschung gelegt. Von 2006 bis 2014 war Dorda Vorstandsvorsitzender der A3PS (Austrian Agency for Alternative Propulsion Systems) und von 2009 bis 2014 Mitglied des Scientific Committees beim Joint Undertaking „Fuel Cells & Hydrogen“. Seit 2011 engagiert sich der Experte als Vice-Chairman der EU-Technologieplattform ERTRAC (European Road Transport Research Advisory Council).